Wilfried Apfalter ist Atheist. Er versteht seine Überzeugung als theologisches Modell, die nicht im Widerspruch zum Glauben stehe, sondern eben ein Glaube sei. „Der Glaube, dass Gott vom Menschen geschaffen wurde und nicht der Mensch von Gott, ist auch ein Glaube”, sagt Wilfried Apfalter. Als Präsidiumsmitglied der Atheistischen Religionsgesellschaft Österreichs (ARG) tritt er für seine Überzeugung ein. Er weiß nicht mehr, wann er zum ersten Mal an seinem Glauben an Gott gezweifelt habe, sondern kann sich umgekehrt gar nicht daran erinnern, dass er jemals an Gott geglaubt hätte. Als ehemaliger Christ war sein Nicht-Glauben kein besonders großes Thema für ihn. Auch seine Familie habe sehr wertschätzend auf seine Gottlosigkeit reagiert. Als sein Lehrer im katholischen Religionsunterricht einmal fragte, was Jesus für jeden Einzelnen bedeute, antwortete er: „Jesus war wohl ein guter Mensch“.
Über seinen Atheismus hat Apfalter auch schon öfters mit katholischen Priestern gesprochen. Verantwortungsbewusste Seelsorge ist allerdings ein Thema, das er mit der Atheistischen Religionsgesellschaft in Zukunft gerne selbst anbieten möchte. Auf die Frage, wie sich Apfalters Leben durch seinen Atheismus verändert habe, antwortet er: „Eigentlich gab es da gar keine besonders große Veränderung.” Die Gründung der Atheistischen Religionsgesellschaft allerdings biete seit einiger Zeit wirklich neues Spannendes für das Leben von zunehmend mehr Atheistinnen und Atheisten.
Religionsfreiheit ist für Apfalter ein besonders wichtiges Thema: „Ich nehme Religionsfreiheit sehr ernst.” Um in Österreich eine staatlich anerkannte religiöse Bekenntnisgemeinschaft zu gründen, benötige es 300 Mitglieder. Derzeit stehe die ARG bei 200 bestätigten Mitgliedern. Bei einem atheistischen Anteil an der Gesamtbevölkerung von derzeit etwa vier Prozent, also rund 350.000 Menschen, laut Europäischer Wertestudie 2018, sollten sich die 300 Personen über kurz oder lang finden.
Eine herabgewürdigte Weltanschauung
Laut Wilfried Apfalter gebe es auch in Österreich einige Bereiche, in denen im Hinblick auf eine volle Gleichberechtigung von Atheistinnen und Atheisten mit Angehörigen bereits länger etablierter Religionen noch viel zu erreichen ist: „Beispielsweise haben Atheisten derzeit keinen Rechtsanspruch auf gleichberechtigte Berücksichtigung religiöser Gebote, wie etwa einer vollwertigen vegetarischen Ernährung bei Präsenz- oder Zivildienst.” Das Fernsehprogramm an Tagen wie dem 24. Dezember werde laut Apfalter von einigen Atheistinnen und Atheisten geradezu als Hohn betrachtet: „Auch da besteht vermutlich noch Spielraum nach oben (schmunzelt)”.
Das Präsidiumsmitglied der Atheistischen Religionsgesellschaft möchte aber auch einen wertschätzenden Umgang mit Menschen seiner Weltanschauung positiv erwähnen. „Kürzlich hat die Altkatholische Kirche Österreichs im Rahmen des 32. Internationalen Altkatholiken-Kongresses 2018 in Wien eine öffentlich zugängliche Gedenkfeier auf dem Judenplatz veranstaltet und dabei neben vielen Bischöfen und dem Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich auch einen Vertreter der Atheistischen Religionsgesellschaft ganz offiziell unter den Ehrengästen begrüßt.”
Wie es für Atheisten sei in Österreich zu leben, beantwortet Apfalter so: „Viele Atheisten lehnen Religion aus vollem Herzen ab und wehren sich geradezu mit Händen und Füßen mehr oder weniger erfolgreich dagegen, auch nur irgendwie mit Religion in Verbindung gebracht zu werden.” Die Atheistische Religionsgesellschaft tue das nicht. Die ARG gehe nicht davon aus, dass Religion ganz grundsätzlich immer ein Übel sei, sondern möchte selbst als Religionsgemeinschaft akzeptiert und anerkannt werden.
Das bedeute für ihn jedoch nicht, dass jede verwirklichte Religion grundsätzlich und immer etwas zwangsläufig Positives für eine Gesellschaft sei. Religion als kulturelles Phänomen könne allerdings durchaus etwas Positives sein und enthalte ein bestimmtes Potenzial. ”Mit unserem Projekt der Atheistischen Religionsgesellschaft versuchen wir als bekennende Atheisten einen weltoffenen und nachhaltigen Weg in diese Richtung zu entwickeln und zu verwirklichen. Das macht unsere Atheistische Religionsgesellschaft insgesamt sehr herausfordernd und spannend.”
Mein Name ist Martin Grob. Ich bin 32 Jahre alt und wohne in Langenlois. Neben meinem berufsbegleitenden Master-Studium Journalismus & Neue Medien arbeite ich als Fernsehjournalist für das Magazin schau Leben.